Lieber Babba im Himmel,

 

ich hoffe, dir geht es gut. Sag mal, gibt es bei euch da oben eigentlich ein Briefgeheimnis oder kann da jeder mitlesen?

 

Was sagst du? Bei euch bringt Hermes die Post.

 

Bei uns bringen die nur Päckchen.

 

Ach so, Hermes ist der Götterbote. Stimmt ja, die alten Griechen. Das hatten wir ja mal im Geschichtsunterricht durchgenommen.

 

Aber war der nicht auch der Gott der Diebe?

 

Das heißt dann ja, ihr habt einen Briefträger der gleichzeitig Schirmherren der Schurken – naja, wenigstens spielen die im Himmel mit offenen Karten. Das wäre ja so als würde man den Facebook-Gründer Mark Zuckerberg zum Postminister und Datenschutzbeauftragten ernennen.

 

Ihr habt ja echt Humor da oben.

 

Ja, hier unten ist noch immer alles im Bann von Corona. Das Perfide daran: Das Virus ist die reinste Virenschleuder. Viele Nachrichten-Viren werden über WhatsApp verbreitet.

 

Nein, nicht „Wassis Depp“, WhatsApp. Das ist eine Abkürzung für, äh, ähm: Was ist Ebbes? WhatsApp halt.

 

Es gibt auch E-Mails mit den absurdesten Vorschlägen, die sich selbst wie ein Virus verbreiten. Bei einer stand zum Beispiel: Wer es schafft, morgens zehn Sekunden die Luft anzuhalten, der hat wahrscheinlich keine Corona-Lungenentzündung. Ein anderer hatte darauf geantwortet: Wer es schafft, nachts länger als zehn Minuten die Luft anzuhalten, der ist dann wahrscheinlich schon tot.

 

Verrückt, was.

 

Das Corona-Virus – so hat mir ein Neurologe erklärt – wirkt im Gehirn gleichzeitig wie ein Ein- und ein Aus-Schalter. Der Gehirnlappen, der beispielsweise für Nonsens zuständig ist, wird ein- und der gesunde Menschenverstand im selben Moment ausgeschaltet – zumindest bei einigen.

 

Positiv betrachtet, fördert es die Kreativität, da hast du recht.

 

Ja – und jetzt sollen wir auch noch MSM tragen.

Nein, das hat nichts mit Sado-Masochismus zu tun. Obwohl? MSM steht für Mundschutzmasken.

 

Da bleibt beim Tragen manchem die Luft weg.

 

Jedenfalls soll man die Mundschutzmasken immer und überall tragen. Im Supermarkt, beim Metzger, ja auch auf dem Klo – gut, da macht ein Mund-Nasenschutz vielleicht auch wirklich Sinn – und selbst dann sollen wir ihn tragen, wenn wir alleine durch den Wald gehen. Erst denkt man, wie bekloppt, aber du glaubst es nicht, inzwischen ist im Wald sogar mehr los als beim Bäcker, da dürfen nämlich immer nur zwei Personen gleichzeitig in den Laden.

 

Das stört jetzt wiederum die Förster.

 

Nein, nicht, dass man nur zu zweit in den Bäcker darf.

 

Die Förster haben Angst, wenn so viele Menschen gleichzeitig im Wald sind, da würden Flora und Fauna drunter leiden.

 

Aber wo sollen die Menschen auch hin? Viele haben gar keine Arbeit mehr, andere nur ein bisschen, das nennt man dann Kurzarbeit, andere machen Home-Office, Essen gehen können sie auch nicht, weil ja alle Restaurants zu haben.

 

Ja – alle Restaurants haben zu. Ich weiß, das wäre furchtbar für dich, du bist ja immer so gerne essen gegangen. Jetzt müssen die Leute zuhause selbst kochen und das Schlimmste daran, sie müssen es auch noch selbst essen.

 

Jahrelange hat man uns mit Kochsendungen auf allen Kanälen berieselt, vermutlich, um uns auf diesen Tag vorzubereiten. Sterneköche haben uns in ihre geheimsten Speisekammern gelockt und sind mit filigranen Schaumsüppchen und wahren Aroma-Explosionen wieder rausgekommen. Und was ist hängen geblieben?

 

Stimmt, die Kochschürze.

 

Nein, aber mal ehrlich, man ahnt doch schon, was die meisten Deutschen jetzt kochen. Du musst ja nur in die leeren Regale der Supermärkte schauen – sie kaufen Mehl, Hefe, Nudeln und Tomatensoße als gäb‘s kein Morgen mehr. Miraculi, da bin ich mir ziemlich sicher, wird noch der Schutzgott der Kochinsel.

 

Aber – wo waren wir eigentlich stehen geblieben – ach so, im Wald.

 

Ja, die Menschen strömen in den Wald. Es soll am letzten Wochenende angeblich so voll gewesen sein, dass die Füchse, Hasen und Wildschweine Reißaus genommen haben.

 

Soziologen sprechen jetzt schon von einem human-animalischen Umkehr-Effekt. Die Menschen zieht‘s in den Wald und die Tiere ziehen in die Stadt. Hasen hoppeln durch die Hindenburgstraße, Füchse wurden auf dem Rathaus-Plateau entdeckt und die Wildschweine suhlen sich am Fischtorplatz, da wo sonst immer das Marktfrühstück war.

 

Kein Wunder, die Stadt ist ja menschenleer.

 

Da äst ein Hirsch am Gutenbergdenkmal und am Fastnachtsbrunnen tummeln sich Frösche und Lurche.

 

Was irgendwie kurios ist, seit dem der Flugverkehr zum Erliegen gekommen ist, habe ich das Gefühl, dass die Vögel bei uns im Garten weniger laut zwitschern. Entweder haben die jahrelang gegen den Fluglärm anschreien müssen und sind nun total heiser oder sie sind in einer Art Schockstarre. Das ist vielleicht so ähnlich wie wenn man früher nach durchzechter Nacht aus der Disco herausgekommen ist. Taub, leicht benebelt, gelähmt aber irgendwie gut gelaunt.

 

Bei manchen fördert das Virus auch alte Blockwart-Tugenden wieder hervor. Ist ja auch klar, die Menschen haben ja jetzt mehr Zeit und es ist viel mehr verboten als sonst. Wir Deutschen haben da ja gewisse einschlägige Erfahrungen – in Ost und West – Denunziantentum liegt, so fürchte ich, vielen noch im Blut.

 

Manche legen sich im Hausflur auf den Boden und versuchen unter den Türschlitz zu gucken, um an der Anzahl der Füße zu erkennen, wie viel Menschen sich in der gegenüberliegenden Wohnung aufhalten.

 

Andere verlassen sich auf ihr Gehör und lauschen über den Balkon in Nachbars-Wohnzimmer. Sobald sie mehrere unterschiedliche Stimmen unterscheiden können, rufen sie die Polizei.

 

Die Polizei wiederum geht den meisten Anrufern gar nicht mehr nach. Zweimal mussten sie schon ausrücken, nur um festzustellen, dass in dem einen Fall eine Oma Selbstgespräche geführt und in dem anderen Fall ein Ehepaar sich Papageien zugelegt hat.

 

Löblich erwähnt wurde übrigens in dem Polizeibericht, dass sowohl die Oma als auch die beiden Papageien Mundschutz-Masken getragen haben.

 

Einige Wissenschaftler glauben ja, dass das Virus auch Hirnhautentzündung hervorruft. Ich glaube, dass das Virus das Hirn einiger Menschen schon befällt, bevor sie überhaupt infiziert sind.

 

Wie du siehst, stehen wir vor großen Herausforderungen.

 

So, für heute lass ich‘s mal gut sein. Ich melde mich wieder bei dir. Lass es dir gut gehen und grüß da oben deinen Chef von mir – hier unten steht immer noch alles kopf.

 

Dein Bubsche